"Bücher lesen oder gar selber schreiben bringt keine Abhilfe. Wenn ich erklären soll, warum für mich ein Buch rigoros ist und ein anderes flach, kann ich nur auf die Dichte der Stellen hinweisen, die im Kopf den Irrlauf hervorrufen, Stellen, die mir die Gedanken sofort dorthin ziehen, wo sich keine Worte aufhalten können. Je dichter diese Stellen im Text sind, um so rigoroser ist er, je schütterer sie stehen, um so flacher ist der Text. Das Kriterium der Qualität eines Textes ist für mich immer dieses eine gewesen: kommt es zum stummen Irrlauf im Kopf oder nicht. Jeder gute Satz mündet im Kopf dorthin, wo das, was er auslöst, anders mit sich spricht als in Worten. Und wenn ich sage, daß mich Bücher verändert haben, dann geschah es aus diesem Grund." (Herta Müller)
Irrlauf im Kopf, denke ich. Literaturnobelpreisträgerin. Es ist klein und lila, sage ich, und hat runde Ecken. Mein Unausgeglichenheitsgraph geht im Zickzack hoch und runter, die dicke rote Linie zieht sich durch die Woche, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und - am Abend wird es meist erträglicher. Oder schlimmer. Das hängt von einigem ab. Irrlauf, Leerlauf, denke ich. Und merke: Ja. Sie hat recht. Mit Vorfreude ist das einfach nicht zu beschreiben. Es ist entweder mehr oder etwas völlig anderes. Aber unheimlich viel davon. Von dem, was es ist, ganz, ganz viel. Die morgendliche Aufregung versuche ich zu vergessen - "Du bist keinen einzigen Zentimeter zu klein" an jemanden gerichtet, bringt mich fast um, Waschmaschinen und Schwangerschaften. Alles nur ein Traum, denke ich, mein Puls schnellt augenblicklich in die Höhe.
Aber wenn die Vorstellung von etwas schon so gut ist, wie muss es dann erst in Wirklichkeit sein. Enttäuschend, sagt etwas, das der Vernunft nahe kommt, es kann nur enttäuschend sein. Nein, denke ich, unmöglich, völlig ausgeschlossen. Weil ich die Wirklichkeit schon kenne, sie hat bloß noch keinen Ewigkeitsanspruch. Zeit ist genug da, denke ich. Merke ich.
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