Sonntag, 4. September 2011

mit Haut und Haar

Mama packt große schwarze Koffer voller Sachen, um eine Menge Wasser hinter sich zu lassen. Ich lehne am Türrahmen und schaue eine Weile zu. Sie macht sich verrückt. Ich auch, vielleicht aus Solidarität. Solidaritätsverrücktmachen. Wie Solidaritätskopfschmerzen, denke ich und muss grinsen. Es ist warm, achtundzwanzig Grad. Die Heizung ist noch nicht wieder ausgefallen.
Die Jalousien sind heruntergelassen - nur eine Handbreit, aber ich bin sicher, dass das der Grund für die Dunkelheit ist. Hier sind zu viele Zimmer und zu wenig Menschen. Menschen sind die Verbindung zur Außenwelt, der Schlupfwinkel, das kleine schwarze Loch. Gibt es keine, muss der Fernseher herhalten. Und geöffnete Fenster. Die Luft schlägt schwül herein.
Wenn ich allein bin, ertrage ich keine Stille. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, denen es anders geht. Im Plastikblau der Wasserflasche erkenne ich sich spiegelndes, waberndes Leben, es droht mir entgegenzukommen, ich zucke zusammen, überprüfe die Lage und atme auf - stets mit ein wenig Enttäuschung im Hinterkopf.
Bis mir plötzlich wieder einfällt: Vor ein paar Tagen, ganz kurz, vielleicht für zehn Sekunden bin ich vollständig ausgefüllt gewesen, nicht auf-, aber aus-. Das ist neu und gut und wärmend, eigentlich kann es das gar nicht geben. Ich versuche noch immer, mich davon zu nähren, das ist wichtig und nötig und macht es erträglicher - die Zweifel. Das allererste Mal, dass jemand so etwas -, denke ich und breche ab. Das allererste Mal, dass ich so etwas -, denke ich und breche ab, komme ab. Vom Weg meiner Gedanken.
Nicht das Gefühl mit Worten verunreinigen, die ihm nicht gerecht werden. Solche Dinge sagt man nicht, spricht man nicht laut aus - zwar würde es sie nicht schmälern, ihr Gewicht nicht verringern, aber es würde sie doch seltsam zugänglich machen, bloßgelegt, nackt und angreifbar.
Ich versuche, ruhig zu bleiben, die Tage nicht zu zählen. Meistens tue ich es doch. Bei den Stunden bin ich noch nicht angekommen. Das ist gut, früher war das anders. Ich versuche, ruhig zu bleiben, versuche zu ergründen, was das für mich bedeutet, versuche, die Sätze in meinem Kopf nicht mit dem Konjunktiv zu beginnen.
Gute Klischees, denke ich. Ein Foto im Portemonnaie ist ein gutes Klischee. Ich bin so völlig, so ganz und gar -

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